zu: Hawking, Stephen: Kurze Antworten auf große Fragen, Klett-Cotta, Stuttgart, 2020, 3. Auflage
In seinem Buch „Kurze Antworten auf große Fragen“ warb der Physiker Stephen Hawking wiederholt für die Naturwissenschaften (wer kann es ihm verdenken) und wünschte sich mehr Begeisterung dafür. Als Wissenschaftler warnte er zugleich vor den drohenden Gefahren für die moderne Welt, allen voran dem Klimawandel und Atomwaffen:
„Wir alle verursachen die globale Erwärmung. Wir wollen Autos, Reisen, einen höheren Lebensstandard. Das Problem ist nur: Wenn die Menschen schließlich merken, was sie anrichten, ist es höchstwahrscheinlich schon zu spät. (…) Als Naturwissenschaftler kennen wir wir die Gefahren von Atomwaffen und ihre verheerenden Auswirkungen. Wir haben studiert, wie menschliche Aktivitäten und Technologien die Klimasysteme in einer Weise angreifen, die das Leben auf Erden auf Dauer verändern kann. Als Weltbürger haben wir die Pflicht, dieses Wissen nicht für uns zu behalten, sondern die Öffentlichkeit auf die unnötigen Risiken hinzuweisen, mit denen wir täglich leben.“ (Hawking, Stephen: Kurze Antworten auf große Fragen, Klett-Cotta, Stuttgart, 2020, Seite 171/172).
Spannend ist, dass Hawking sich aus seiner Perspektive als Naturwissenschaftler mit dem Zustand der Welt auseinandersetzt. Das führt zu der Frage: wie führt man diese Auseinandersetzung als Geisteswissenschaftler?
Naturwissenschaftliche Problemlösung
Der Naturwissenschaftler und Ingenieur versucht, etwas zu erfinden, was die Gefahr abwendet. Da stehen wir gerade als Gesellschaft. Wir schauen auf die Erfinder und Ingenieure und hoffen, dass sie schnell genug sind, um der Klimakrise Herr zu werden. Sie erfinden Solar- und Windkraftwerke, Wärmepumpen, elektrische Mobilitätssysteme und vor allem Speichertechnologien für Strom und Wärme. Das ist Fortschritt: unter den gegebenen Bedingungen das möglichst optimale herauszuholen aus den Naturwissenschaften.
Geisteswissenschaftliche Problemlösung
Der Geisteswissenschaftler dagegen kann solcherlei Dinge nicht entwickeln. Aber er kann überlegen, was wir Menschen wirklich brauchen, um glücklich und zufrieden zu sein. Es ist die Domäne der Geisteswissenschaft zu hinterfragen, ob es ausgerechnet materielle Dinge sein müssen, an denen wir unser Glück aufhängen. Mehr noch, die Geisteswissenschaft kann andere Angebote machen.
Ist es nicht so, dass uns ein gutes Buch, ein spannender Film, ein intensives Gespräch auch glücklich machen? Die Vermutung liegt nahe, dass der übermäßige Konsum von Dingen etwas verdeckt: nämlich die eigentlich notwendige Frage nach dem Sinn, der uns als Gesellschaft irgendwann abhanden gekommen ist. Wer viel konsumiert, fragt nicht nach dem Sinn.
Letztlich ist es an der Geisteswissenschaft, sich als Sinngeberin zu betätigen und einen Sinn abseits des steten „mehr“ zu belegen. Denn was nutzt ein nachhaltiges Leben in größtem Luxus, wenn man nicht sagen kann, wozu überhaupt? Warum reicht uns Shakespeare nicht? Warum brauchen wir noch Candy Crush? Warum ziehen wir Instagram und TikTok dem Dorfplatz vor?
Stephen Hawking hat dies auch verstanden. Er hat seine Antwort als Naturwissenschaftler gegeben.