Emmott, Stephen: Zehn Milliarden – Buch und Film (Buch: Suhrkamp Verlag, Berlin 2013)
Wenn man Stephen Emmotts Buch „Zehn Milliarden“ liest oder den gleichnamigen Film sieht, gibt es zwei Aussagen, die sich im Gedächtnis verankern. Zum einen, dass man für die Herstellung eines Burgers 3000 Liter Wasser braucht. Zum anderen das Gedankenexperiment mit dem Asteroiden, der auf die Erde zurast. Auffälliger aber ist, wie wenig Buch und Film die ihnen je gemäße Form zu wahren wissen.
Die Botschaft
3000 Liter Wasser für die Herstellung eines einzigen Burgers klingt nach unendlich viel.
Unklar jedoch bleibt und das ist eine echte Schwäche, inwiefern der Wasserverbrauch eine verlässliche Größe ist. Denn man kann Wasser verbrauchen, dann reinigen und wiederverwenden oder man kann es beim Verbrauch derart verschmutzen, dass es kaum oder nicht mehr zu reinigen ist. Welchen Wasserverbrauch Emmet meint, verrät er nicht.
Überzeugender ist dagegen das Gedankenexperiment: Was wäre, wenn ein Asteroid auf die Erde zugeflogen käme und sein Einschlag rund 70 Prozent alles Lebens auf der Erde vernichten würde? Bis dahin hätte man noch etwa 40 Jahre Zeit. Emmet behauptet, wir Menschen würden beispiellose Maßnahmen ergreifen, um den Aufschlag zu verhindern und diese Behauptung ist sehr plausibel. Aber man ahnt natürlich, worauf das Gedankenexperiment hinaus läuft.
„Wir sind jetzt in fast genau derselben Situation.“ Statt eines Asteroiden, gibt es aktuell rund sieben Milliarden menschliche Probleme, die bald zehn Milliarden sein werden, später noch mehr. Dies muss zum Zusammenbruch der Welt, wie wir sie kennen, führen.
Die Belege
Um die Überlastung der Erde zu belegen, hat Emmott mit einem Team von Wissenschaftlern 10 Jahre lang viele Daten gesammelt, gesichtet und sie zu Graphen aufgearbeitet, die doch alle dasselbe zeigen. Ob es nun um Wasserknappheit, CO2-Ausstoß oder Energieverbrauch geht. Alle Graphen führen eine Kurve aus, die immer steiler ansteigt – ganz wie die Weltbevölkerung.
Um die Belege kurz zusammenzufassen: zu viel ist zu viel und das ist jetzt.
Es war einmal ein letzter Strohhalm
Dass es nicht schon längst zum Zusammenbruch gekommen ist, liegt an der grünen Revolution der Landwirtschaft. Als Grüne Revolution werden die deutlich gestiegenen Erträge pro Quadratmeter beschrieben, ermöglicht durch Maschinen, Züchtung, Chemie und Erfindungen. Schon explodierte die Weltbevölkerung.
Es ist offensichtlich, dass diese Revolution nur möglich ist durch die Abhängigkeit von Kohle, Erdöl und Gas und der Preis ist die gedankenlose Ausbeutung dieser über jahrmillionen abgelagerten Rohstoffe. Schon heute werden die 7 Milliarden Erdenbewohner mit massiven Umweltschäden erkauft und bei 10 Milliarden wird es entsprechend schlimmer. Die gesteigerten Erträge sind nur möglich als Raubbau an der Natur. Darum wurde der Erdüberlastungstag ersonnen.
Optimisten sagen, uns Menschen sei noch immer etwas eingefallen und man forsche schon an Lösungen. Emmet würde sagen, dass alle bisherigen Lösungen bloß zu mehr Ausbeutung, aber nicht zu grundsätzlich neuen Lösungen geführt haben.
Das Buch – Schriftgröße wie bei Kinderbüchern
Während Emmott inhaltlich ein bekanntes, mittlerweile nahezu etabliertes Feld beackert, ist die Darstellung sehr irritierend. Die Schriftgröße und der Zeilenabstand wirken als hätte man ein Vorlesebuch für Kleinkinder in der Hand. Zudem sind viele Seiten nur zur Hälfte gefüllt, manchmal sogar noch weniger, sodass das Buch in normaler Schriftgröße und bei normalem Satzspiegel wahrscheinlich nur rund ein Drittel der Seiten hätte. Bei einem Buch, welches sich gegen Verschwendung wendet, wirkt dieser verschwenderische Umgang grundlegend falsch.
Der Film
Der Film folgt dem Buch inhaltlich und ist in seiner Darstellungsweise ebenso unbeholfen. Schon nach nur 7:30 Minuten ist das filmische Intro zu Ende und Stephen Emmott steht alleine auf einer dunklen Bühne. Alles, was folgt, ist kaum mehr als eine abgefilmte, etwas aufgebohrte Präsentation mit Stephen Emmott als leicht hölzernem Sprecher. Nur er wird ausgeleuchtet. Damit ist klar, er ist der Mahner, der Sehende.
Auch das filmische Intro ist vorhersehbar: es beginnt sehr langsam, im Hintergrund sphärische Klänge. Eine Galaxie, Titeleinblendung, ein Sternenhaufen, Titeleinblendung, irgendwann die Erde – das ist Kitsch. Man begreift, die Erde ist winzig und sehr verletzlich. Dann kommt der, wenn man das Buch gelesen hat, erwartbare Asteroid ins Bild.
Der Nutzen
Der Nutzen von „Zehn Milliarden“, ob als Buch oder Film, ist gering. Denn neben der Zustandsbeschreibung und den Gründen, wie es dazu gekommen ist, hat Emmott keinen Zukunftsentwurf. Zumal außer dem (notwendigen) Ruf nach Verhaltensänderung keine Ideen präsentiert werden. Dadurch wirkt Emmet pessimistisch, gar resigniert.
Unter dem neumodischen Begriff des Geoengineering werden zwar noch technische Maßnahmen präsentiert, die in das Ökosystem der Erde eingreifen können sollen. Aber letztendlich sind diese Maßnahmen zu teuer, zu eingeschränkt in der ohnehin unbekannten Wirkung und hätten obendrein wahrscheinlich nicht begrüßenswerte Nebenwirkungen.
Letztlich droht nicht einmal die totale Vernichtung der Menschheit, sondern eher eine starke Reduzierung sowie einschneidende Veränderungen in den Möglichkeiten. Vielleicht darf man dies vergleichen mit der Hasenpopulation, die sich in Zeiten des Nahrungsüberschusses vergrößert, scheinbar ohne jedes Maß, und dann bei einem Nahrungsmangel wieder schrumpft. Der Mensch hat diesem Gesetz des Lebens dank seines Erfindungsreichtums lange genug getrotzt. Mutmaßlich wird mit schwindenden Ressourcen der Mensch von diesem Naturgesetz eingeholt.
Fazit
Film und Buch wirken gleichermaßen seltsam unausgegoren. Das schadet letztlich auch der Botschaft, so richtig und wichtig sie grundsätzlich ist. Im Buch fallen die große Schrift und teilweise nahezu weiße Seiten auf. Im Film das Unfilmische. So bleibt am Ende bloß die Botschaft, die nicht nur Dank Greta Thunberg gerade von allen Kanzeln gepredigt wird. So viele Mahner, so viele Warnungen und so viel Wind, in den letztlich all dies geschlagen wird.
Ungewöhnlich ist der sehr pessimistische Grundton Emmotts. Die Mehrzahl der Mahner mahnt, dass es fünf vor zwölf sei oder drei vor zwölf oder auch fünf nach zwölf – aber immer kann man noch etwas tun. Bei Emmotts scheint der Zug schon abgefahren zu sein. Das ist entmutigend.