Abraham Lincoln Vampirjäger (2012) von Timur Bekmambetow
Wenn sich fiktionale Werke bei historischen Szenarien bedienen, ist es sehr wahrscheinlich, dass die anerkannte Historie zum Zweck der Unterhaltung verbogen wird. Es gibt Gesetze wie das Persönlichkeits- und Urheberrecht, die regeln, wie weit dieses Verbiegen gehen darf. Da diese Rechte nach vielen Jahren auslaufen, können so wichtige historische Persönlichkeiten wie der 16. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Abraham Lincoln, auf eine Weise und in Kontexten dargestellt werden, die als nichts weniger als wahnwitzig zu bezeichnen sind.
In dem amerikanischen Vampir-Genre-Mash-Up „Abraham Lincoln Vampirjäger“ des russischstämmigen Regisseurs Timur Bekmambetow verdingt sich Lincoln, basierend auf der Romanvorlage von Seth Grahame-Smith, als nebenberuflicher Vampirjäger. Ein horrender Quatsch. Der amerikanische Bürgerkrieg wurde in diesem Szenario nicht nur für die Gleichheit aller Bürger gekämpft, sondern auch gegen Vampire, die praktischerweise als Sklavenhalter auf Seite der Südstaaten um ihr Futter kämpfen. Es muss wiederholt werden: ein horrender Quatsch.
Abraham Lincoln der Rächer
Der Film beginnt damit, dass Lincoln als Kind seinen besten Freund gegen die Schläge eines Sklavenhalters verteidigt. Daraufhin tötet ein Vampir als Strafaktion Lincolns Mutter. Dieser Zusammenhang ist natürlich weit hergeholt, aber dramaturgisch leider notwendig, da der Film über das Motiv der Rache aufgebaut ist. Denn als Lincolns Vater neun Jahre später stirbt, zieht der dann junge Mann Abraham los, um seine Rache zu finden.
Bei seinem Rachefeldzug wird der Jäger schnell zum Gejagten. Der herangewachsene Lincoln hat nämlich keine Ahnung, wie man Vampire bekämpft. Gerettet wird er in allerletzter Sekunde durch den geheimnisvollen Henry Sturges, der ihn zum titelgebenden Vampirjäger ausbildet. Im Gegenzug für die Ausbildung soll Lincoln seine Rachegelüste aufgeben. Lincoln stimmt zwar ein, aber es ist zu deutlich, dass es ihm damit nicht ernst ist.
Altbackene Erzählmuster
Das dem Film unterliegende Rachemotiv ist hinlänglich bekannt und darum wenig spannend, zumal es dem „Auge-um-Auge“-Muster folgt. Klaust du mir meine Schippe, nehme ich dein Förmchen. Es wirkt, als sei das Ziel gewesen, überhaupt irgendein und überhaupt irgendwie nachvollziehbares Motiv zu finden – auf die Glaubwürdigkeit kommt es nicht an. Interessant erzählen geht anders.
Auch Lincolns Mentor Sturgess ist angetrieben von dem Rachemotiv. Er bildet Vampirjäger aus, da er als Vampir keine anderen Vampire töten kann. Warum diese Beschränkung sein muss, ist nicht anders als mit fehlenden, kreativen Einfällen zu erklären. Lincolns Frau handelt, nachdem eine Vampirin ihren und Lincolns Sohn, William, getötet hat, ebenfalls aus Rache. Das ist öde. Das Rachemotiv ist überdeutlich, plakativ und ungeschickt eingesetzt.
Vor diesem Hintergrund nimmt sich das Motiv des Vampirfürsten und Gegenspielers Adam erstaunlich kreativ aus. Er will überraschenderweise die Weltherrschaft für seine Rasse.
Vom Kind zum Vampirjäger zum Präsidenten zum Alles-auf-einmal: Zeitsprünge als erzählerisches Problem
Das eintönig umgesetzte Erzählmuster der Rache ist nicht die einzige erzählerische Schwäche des Films. Die Handlung zum Beispiel erstreckt sich über eine lange Zeitspanne: vom Kindheitsalter an bis zum späten, reifen Mannesalter. Hier fehlen kreative Ideen, wie man diese vielen Jahre vernünftig erzählen könnte. Die Zeit von der frühen Kindheit bis zum jungen Erwachsenen wird schlicht mit einem Schnitt übersprungen. Die Zeit der Ausbildung zum Vampirjäger wird als Zusammenschnitt mit Musikuntermalung erzählt (Rocky lässt grüßen) und die lange Zeit zwischen dem jungen, aufstrebenden Politiker Lincoln bis zum gestandenen Präsidenten wird wieder schlicht übersprungen. Cut and forget. Dieses wiederholte, erzählerisch wenig geschickte Überbrücken von längeren Zeiträumen ist ein Problem für den Film. Die Erzählung bleibt Flickwerk, immer ausgerichtet auf den nächsten Plotpunkt.
Wenig nachvollziehbare Darstellung der Vampire
Diese fehlende Einheit zeigt sich auch in der Darstellung der Vampire. Der Film nimmt sich im Vergleich zur typischen Darstellung wenige, aber wichtige und zudem wenig passende Freiheiten. Die Vampire können zum Beispiel unbeschadet am hellichten Tag herumlaufen, sie tragen bloß Sonnenbrillen. Erst dies ermöglicht ihnen einen relativ integriertes Leben als Sklavenhalter, da man sie kaum als Vampire ausmachen kann. Darin sind sie anders als die untoten Wesen, die ewig an die Nacht gebunden sind. Das ist ein großer, wesensmäßiger Unterschied.
Genauso ärgerlich ist, dass Vampire sich nicht gegenseitig töten können. Diese Veränderung wurde mutmaßlich ausschließlich vorgenommen, damit der von Rache getriebene Sturgess diese nicht einfach ausleben kann. Vielmehr muss er Lincoln als Stellvertreter ausbilden. So ein Unsinn. Zudem können Vampire unsichtbar werden, was außer für ein paar visuelle Effekte überhaupt keinen Sinn mehr macht. Aber mit Sinn hat es „Abraham Lincoln Vampirjäger“ ohnehin nicht so.
Pfusch am kulturellen Gedächtnis
Dabei kann die Vermischung von Realität mit deutlichem Fantasy-Einschlag auch Spaß machen. Die Filme „Wächter der Nacht“ (2004) oder „Wanted“ (2008) mit Angelina Jolie, beide ebenfalls von Bekmambetow, zeugen davon, allerdings vor einem zeitgenössischen Hintergrund. Vor dem realistischen Hintergrund unserer heutigen Gesellschaft ist der Einbruch von guten und bösen Mächten, die sich bekämpfen eine lustvolle Seherfahrung. Quasi als Metapher, die über der grauen Realität liegt. Bei „Abraham Lincoln Vampirjäger“ steht jedoch eine herausragende, historische Persönlichkeit im Mittelpunkt und da die geltenden Erzählungen um diesen Präsidenten und seine Zeit tief im kulturellen Gedächtnis verwurzelt sind, erwartet man eine größere Akkuratesse. Mit Recht. Kreative Einfälle müssen sich vor dieser Erwartung behaupten.
In dem Film aus dem Jahr 2012 werden historische Ereignisse und Fantasy derart wild miteinander vermischt, dass der Film wie ein Betrug am kulturellen Gedächtnis wirkt. Es gibt kein lustvolles Zusammenspiel zwischen historischen Begebenheiten und guten Einfällen. Alles kann alles sein, bis hin zur Beliebigkeit.
Der Film endet mit einem großen Actionspektakel, wobei die Vampire, die auf Seiten der Südstaaten kämpfen mit einem Handstreich ein ganzes Bataillon auslöschen, während zur quasi gleichen Zeit Lincoln und seine Freunde eine Eisenbahnwagonladung von Adams stärksten Vampiren und mit Adam auch gleich den Obervampir selbst von deren untoten Dasein erlösen. Logisch erklärbar ist es nicht, wieso die Vampire einmal unaufhaltsam wie eine höhere Macht sind und das nächste Mal nicht mehr als Schlachtvieh für die Hauptfiguren. „Abraham Lincoln Vampirjäger“ macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt. Die Vampire sind immer so stark, wie es das Drehbuch gerade braucht.
Fazit
Über weite Strecken plätschert „Abraham Lincoln Vampirjäger“ vor sich hin, weil es dem Film nicht gelingt, glaubwürdige Zusammenhänge herzustellen. Durch die vielen, schwach ausgeführten Zeitsprünge kommt kein lebendiger Erzählfluss zustande. Dazu kommen Vampire, die deutlich anders und weniger interessant sind, als es das Genre vorgibt. Zuletzt wirkt die Kombination aus Abraham Lincoln und Vampiren sehr weit hergeholt. Zerrissen wird der Film dann durch die Fliehkräfte, die sich aus der Frage ergeben, wo der Vampirjägerunsinn aufhört und wo die historische Persönlichkeit Abraham Lincoln anfängt. Man bekommt nie das Gefühl, man könne dem Film vertrauen. In solch einem beliebigen Setting bleiben letztlich nur die Schauwerte, von denen der Film zumindest manche hat. Aber Spannung kommt nicht auf.
Insgesamt ist der Film mit einem Lutscher für Kinder zu vergleichen. Er ist knallbunt, etwas zu grell und sieht leckerer aus, als er es dann ist. Zudem bleibt im Anschluss das schlechte Gewissen, etwas ohne Nährwert konsumiert zu haben.