Rezension zur TV-Serie „The Strain“
Laut einem römischen Ammenmärchen sind Strigoi blutsaugende Vögel; in der rumänischen Folklore ist es die Bezeichnung für Vampire; in der amerikanischen Fernsehserie „The Strain“ werden die Wesen, die sich nachts blutsaugend vermehren, von der Figur des „Juden“ Abraham Setrakian so genannt. Das Genre ist schnell klar.
Der englische Begriff „Strain“ heißt aber auch soviel wie Anstrengung, Belastung oder Erregerstamm und er ist treffend gewählt. Denn in der Serie müssen sich die Menschen unter großen Belastungen und vielen Anstrengungen eines Erregerstammes erwehren, der die Menschen befällt und sie in kürzester Zeit in Vampire bzw. Strigoi transformiert.
Einige versuchte Neuerungen…
Das Benennen der Blutsauger als Strigoi und nicht als Vampire sagt viel über „The Strain“ aus. Obwohl die Serie weitgehend konventionell ist – sowohl was den Inhalt als auch was die Erzählweise betrifft – versucht die Serie originell zu sein. Während hierbei die Verwendung des Begriffs „Strigoi“ statt Vampire stimmig ist, ist die Mehrheit der Einfälle aufgesetzt.
Die Hauptfigur der Serie ist der Epidomologe Ephraim „Eph“ Goodweather, der von Frau und Sohn mangels gemeinsamer Zeit getrennt lebt. Er arbeitet beim amerikanischen Seuchenschutz und kennt nur seine Arbeit. So viel Konvention muss sein. Er betrachtet den Angriff der Vampire zunächst aus rein biologischen Gesichtspunkten: fremdes Virus befällt einen Körper, nistet sich dort ein und beginnt ihn zu transformieren. Dieser Vorgang ist aus der Biologie hinlänglich bekannt, nur eben nicht mit der Transformation eines kompletten Menschen.
Hiermit wird der Biss eines Vampirs als quasi magische Grundlage der Verwandlung durch ein naturwissenschaftliches Modell ersetzt. Allerdings ist die neue Erklärung auf vermeintlich biologischer Ebene unbefriedigend. Denn die Verwandlung infolge eines Wurmbefalls ist letztlich genauso magisch wie der Biss, bloß dass hier eine scheinwissenschaftliche Maskerade aufgebaut wurde. Der Ansatz, die Verbreitung der Vampire als Epidemie zu betrachten, ist originell, aber er fruchtet nicht.
… die zumeist nicht funktionieren
Beim Versuch originell zu sein, steht sich die Serie häufig genug selbst im Weg. Zum Beispiel trinkt Goodweather zu Beginn der Serie immer Milch, die ihm eigens von einem Assistenten gereicht wird. Dieser Spleen tritt in den späteren Episoden nicht mehr auf und hat auch sonst keine dramaturgische Funktion. Somit ist dieser Einfall nicht nur überflüssig. Er lenkt den Zuschauer ab, da man sich unwillkürlich nach dem Sinn und Zweck der Milch fragt. Ebenso überflüssig ist der Einfall, dass die Mutter einer der Hauptfiguren Dement ist. Dies hält die Handlung nur unnötig auf. Wer eine soziopolitische Motivation dahinter vermutet, tut dies vergebens.
Auch bei den Vampiren bemüht sich die Serie neue Wege zu gehen. Interessanterweise beißen die Vampire nicht mehr, sie schießen wurmartige Stachel aus den Mündern, die sich wie Blutegel an die Hälse der Opfer saugen. Menschen sind sofort paralysiert, es ist keine Gegenwehr möglich. Diese sofortige Wehrlosigkeit wirkt zuweilen konstruiert – aber das gehört scheinbar zu „The Strain“ dazu.
Überhaupt weicht die Darstellung der Vampire deutlich vom Standard ab – selbst wenn man davon ausgeht, dass der Standard durch die Twilight-Serie, „True Blood“ oder auch „Blade“ ausgeweitet ist. Wie schon beschrieben, vollzieht sich die Verwandlung nach einem Biss nicht mehr magisch, sondern durch die Infektion mit einem Wurm und dies eigentlich jedes Mal. Dies ist eine Vervielfältigungsrate, die man sonst von Zombies kennt.
Junge Vampire sind zudem unsicher auf den Beinen, nicht besonders schnell und zu keinen größeren, geplanten Handlungen fähig, etwa so wie Zombies. Je älter die Vampire werden, desto sicherer werden sie mit ihrem Körper. Aber stets bleiben sie abhängig von ihrem Master, dem Ur-Vampir. Er hat alle unter Kontrolle und die einzelnen Vampire sind eher eine Horde – so wie Zombies. Man kann sie durch Silber verletzen und töten, indem man den Kopf abtrennt oder das Stammhirn zerstört – genau wie bei Zombies. Anders als bei Zombies werden die Vampire von Sonnenlicht getötet.
Vampire, die viele Eigenschaften von Zombies haben, verlieren mehr, als dass sie dadurch gewinnen, sie werden deutlich abgewertet.
Orientierung an aktuellen Serientrends
Als Genreprodukt sind Dramaturgie und Handlungsablauf hinlänglich bekannt. Die Zahl der Vampire steigt exponentiell an (ähnlich wie beim Zombie-Film) und somit werden sie unaufhaltbar – Zombie-Apocalypse eben. Jedoch gibt es diesen einen nahezu übermächtigen Master, der alle untoten Geschöpfe befehligt und eine finale Auseinandersetzung mit dem Master kann alle Untoten-Probleme lösen. Denn, wer den denkenden Kopf ausschaltet, hat sogleich alle abhängigen Drohnen besiegt. Es ist äußerst schade, dass dieses Prinzip auch bei „The Strain“ in Anwendung kommt.
Auffällig ist außerdem, dass die breite Palette an potentiellen Hauptfiguren konsequent ausgedünnt wird. Dieses Vorgehen ist auch aus anderen Serien wie „The Walking Dead“ oder „Z-Nation“ bekannt, wobei „The Strain“ hier einen Schritt weiter geht, denn die Figuren sterben nahezu beiläufig, so wie Episodencharaktere sterben und nicht Hauptfiguren. Für den Zuschauer könnte dies spannend sein, ist aber häufig unvermittelt. Statt Spannung entsteht Beliebigkeit.
Insgesamt wählt „The Strain“ eine Menge neuer Ansätze, sei es bei der Charakteristik der Vampire, dem Erzählen von Details oder den Kniffen des seriellen Erzählens und geht bei der Suche nach Originalität einen Schritt weiter, allerdings meist einen Schritt zu weit. „The Strain“ ist zwar unterhaltsam, hat aber auch deutliche Schwächen.
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