Ein Manager muss rechnen können. Er muss Einnahmen und Ausgaben gegeneinander verrechnen und muss entweder bei den Einnahmen mehr generieren oder die Ausgaben verringern, um zu einer positiven Bilanz zu gelangen. Das Buch „Weight Watchers: 10 Diät-Mythen und die ganze Wahrheit“ behauptet, dass man seinen Körper ebenso managen muss – bloß mit dem Ziel einer ausgeglichenen oder, sofern man Gewicht verlieren will, einer negativen Bilanz.
Diät ist gleich negative Energiebilanz
Dieses Prinzip ist erstaunlich einfach. Auf der einen Seite kommen Kalorien herein und auf der anderen Seite werden sie verbraucht. Werden mehr Kalorien verbraucht als aufgenommen, nimmt man ab und dies ganz unabhängig davon, was man isst, wann man isst und wie häufig man isst. Darum ist es letztlich ziemlich egal, ob man das vielgepriesene „kein-Essen-nach-18-Uhr“ macht oder eine andere der unzähligen Diäten. Faktisch helfen sie einfach, dass man im Verlauf von 24 Stunden weniger Kalorien aufnimmt.
Energiehaushalt-Balance | |
Kalorienaufnahme > Kalorienverbrauch | Das Gewicht steigt |
Kalorienaufnahme = Kalorienverbrauch | Das Gewicht ist stabil |
Kalorienaufnahme < Kalorienverbrauch | Das Gewicht verringert sich |
Auf die Ernährung bezogen gibt es Konstanten, die kaum geändert werden können. Der Körper einer weiblichen Person braucht pro Tag etwa 1600 bis 2600 Kalorien und der Körper einer männlichen Person zwischen 2000 und 3300 Kalorien. Das Problem ist, dass in unserer modernen Welt viel zu leicht viel zu viele Kalorien aufgenommen werden und viel zu häufig sind sie nicht einmal nahrhaft. Man fragt sich, wenn das Prinzip so einfach ist, wieso scheitern dann die allermeisten Diätwilligen daran ihre Kilos dauerhaft zu verlieren. Entweder wird die Diät ohnehin vorher abgebrochen oder nach Abschluss kommen die Pfunde schneller zurück als sie gingen. Im Volksmund hat sich der Begriff des Jo-Jo-Effekts etabliert.
Kalorien sind gleich Kalorien – aber auch nicht
Wenn es also um die Gewichtszunahme oder -reduktion alleine geht, dann sind alle Kalorien gleich. Aber manche sind eben gleicher. Davon bleibt die Frage, ob die gegessenen Kalorien gesund sind, unberührt – auch wenn es für den Körper einen großen Unterschied macht, ob man 1000 Kalorien über Chips oder über Obst zu sich nimmt, zumal diese Kalorienmenge in Chips sehr viel schneller erreicht ist als mit Obst.
In der Regel haben ungesunde Lebensmittel deutlich mehr Kalorien pro Volumen als gesunde Lebensmittel, so dass man viel zu leicht zu viele Kalorien aufnimmt. Und da redet noch niemand über Vitamine oder Mineralien.
Ein Buch, alle Mythen zu beseitigen
Das Buch„10 Diät-Mythen“ widmet jedem Diät-Mythos ein eigenes Kapitel. Zunächst wird der Mythos knapp vorgestellt, anschließend das Fünkchen Wahrheit darin entdeckt, welches jedem Mythos innewohnt und schließlich wird „die ganze Wahrheit“ in Form der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse dargestellt. Dieser Aufbau ist effizient. Komplettiert wird er von Erfolgsgeschichten von Monica, Sarah und Nicole. Diese darf man jedoch getrost überlesen. Einerseits wiederholen sie sich. Andererseits könnten Monica, Sarah und Nicole genauso gut erfunden sein.
Hierbei sind es Überschriften wie „keine Strategie ohne Plan“, Schlagworte wie „Gewichtsmanagement“ und Sätze wie „Unser Körper funktioniert wie ein Kraftwerk“, die zeigen, dass es das Buch ernst meint mit dem Abnehmen mit BWL-Vokabular. Als ob die Weise des Sprechens schon die halbe Miete wäre.
Zeitweise handelt es sich bei dem Buch um eine Dauerwerbung für das Abnehm-Imperium Weight Watchers, entsprechend wird das Unternehmen als Autor auf dem Cover des Buchs genannt. Da sich die zehn Diät-Mythen mit nur vier Säulen der Diät beantworten lassen, wiederholt sich das Buch inhaltlich bald. Dies könnte schlechter Schreibstil sein oder darauf hinweisen, dass die Antwort in der Theorie einfach einfach ist.
Jede Diät wird von vier Säulen getragen
Diese einzig notwendigen vier Säulen sind: (1) sich sinnvoll ernähren, (2) regelmäßige Bewegung, (3) positive Verhaltensänderung, (4) Unterstützung suchen. Ohne wird dauerhaftes Abnehmen nicht funktionieren.
Säule 1: sinnvolle Ernährung
Bei der sinnvollen Ernährung geht es darum, kalorienbewusst zu essen. Leider ist, angetrieben durch die moderne Lebensmittelindustrie, ebenso das Bewusstsein für den Kaloriengehalt der Lebensmittel verloren gegangen wie dafür, dass Lebensmittel mehr sind als ihr Kaloriengehalt. Denn nicht alleine die Menge, d.h. das Volumen entscheidet über den Kaloriengehalt, sondern auch die Art des Essens und seine Zubereitungsweise. Hier gilt als Richtlinie, je natürlicher und weniger verarbeitet, desto „besser“ die einzelne Kalorie. Einfach in der Theorie, schwierig in der Praxis.
Säule 2: regelmäßige Bewegung
Regelmäßige Bewegung sorgt nicht nur dafür, dass während der Bewegung Kalorien abgebaut werden, es werden auch Muskeln aufgebaut, die anschließend zu einem höheren Energiebedarf führen. Bewegung ist also nicht nur in diesem Moment gesund, sondern hat auch eine langfristigere Wirkung. Einfach in der Theorie, schwierig in der Praxis.
Säule 3: positive Verhaltensänderung
Die positive Verhaltensänderung ist der entscheidende Schlüssel zum Halten des reduzierten Gewichts. Das kann man kaum genug herausheben. Auf dem Weg dorthin soll man sich kleine Ziele setzen, die man in noch kleineren Schritten erreichen kann. Wer zu schnell zu viel erwartet, wird an seiner Erwartungshaltung scheitern. Dazu gehört, dass man eine flexible Kontrolle über sein Ess- und Bewegungsverhalten erlangt und dies fest in den Alltag integriert.
Ist es noch Hunger oder schon Appetit? Es ist ein ziemlich offenes Geheimnis, dass Essen in unserer Kultur viele weitere Funktionen hat neben der Sättigung und einige davon sind nicht gesund und führen zu Übergewicht. Das Ziel der Verhaltensänderung ist darum: iss nach Hunger und nicht nach Appetit. Ziemlich einfach in der Theorie…
Säule 4: Unterstützung erhalten
Damit all die Dinge, die in der Theorie so einfach klingen, in der Praxis nachhaltig umgesetzt werden, braucht es auch die vierte Säule – dringend. „Auf dem Weg zum Wunschgewicht wollte sie mehr als einmal aufgeben. Inzwischen ist sie froh, dass die anderen in der Gruppe sie zum Durchhalten bewegt haben.“ Wer in der Gruppe abnimmt, hat eine höhere Wahrscheinlichkeit das erreichte Gewicht auch zu halten. Der Mensch ist eben ein soziales Tier.
Neben Familie, Freunden und Bekannten werden die Weight Watchers als wichtige Unterstützung angeführt. Die Werbemaßnahme ist an dieser Stelle so offensichtlich, dass man ihr nicht mal mehr böse sein kann. Gleichzeitig sind soziale Kontrolle und Verpflichtung die entscheidenden Bausteine, die fehlen, wenn eine Diät scheitert.
Fazit
Insgesamt ist an den vermittelten Inhalten einiges dran, auch wenn das Buch an sich oft genug wie eine Werbebroschüre wirkt. Aber es ist unnötig dafür 250 Seiten zu lesen. Die sogenannten Erfolgsgeschichten überliest man ohnehin bald und gibt es viele inhaltliche Wiederholungen. Dennoch könnte es Dank der Energiehaushalt-Balance das letzte Buch über Diäten gewesen sein, was man gelesen haben muss. Denn theoretisch ist alles klar. Nur wenn die Balance negativ ist, verschwinden die überflüssigen Pfunde. Alle Diäten sind bloß verschiedene Wege, diese negative Energiebalance zu erreichen.
Dass die Praxis weiterhin und wahrscheinlich ewiglich auf einem anderen Blatt steht, zeigen tausende Bücher, Artikel und Filme über das Abnehmen.
2 Gedanken zu “Den Körper managen. Einfach in der Theorie, schwierig in der Praxis”