In Time – deine Zeit läuft ab (2011) von Andrew Niccols
Die heutige Wirtschaft basiert darauf, dass Arbeitszeit gegen Geld getauscht wird. Der Arbeitnehmer investiert etwas von seiner Lebenszeit und leistet damit Arbeit, für die er einen Lohn in Form von Geld erhält. Dieses Prinzip des Tausches Zeit gegen Geld nimmt der amerikanische Spielfilm „In Time – deine Zeit läuft ab“ (2011) und erhebt es zum allumfassenden Paradigma.
In dem Film von Andrew Niccol sind alle Menschen genetisch so modifiziert, dass sie 25 Jahre alt werden und danach nicht mehr altern – dafür bleibt ihnen dann nur noch ein Jahr Zeit und wenn diese Zeit abgelaufen ist, stirbt man. Diese Zeit ist jedoch nicht – wie es in der Realität ist – eine Konstante, die stetig verrinnt, sie ist ein Guthaben. „Heute ist Zeit die Währung. Wir verdienen sie und wir geben sie aus“, sagt die Hauptfigur des Films, Will Salas (Justin Timberlake). Ein Kaffee kostet drei Stunden, eine Busfahrt zwei Stunden und Schlaf ist demnach sehr wertvoll, denn die Zeit läuft ab, ohne dass man sie nutzt. Niccol inszeniert das Leben als Zeitbombe.
Soweit ist der Film eine treffende Parabel auf die zunehmende Ökonomisierung der heutigen Gesellschaft. Die Figuren hetzen immer, weil die Zeit ihr Geld und auch ihr Leben bedeutet.
Erst treffende, dann schiefe Parabel
Der Film vervollständigt seine Parabel dadurch, dass es verschiedene Gesellschaftsschichten gibt, Reiche, die Jahrhunderte besitzen und Arme, die von Tag zu Tag leben müssen. Aber dann überdreht der Film sein Gleichnis. Denn die Menschen können sich durch Arbeit weitere Zeit hinzuverdienen, die verbleibende Restzeit, die grün am Unterarm angezeigt wird, ist eine Art Geldbeutel, den man füllen und leeren kann. Der Einzelne kann deutlich länger leben. Man zählt 25 + 2 oder auch 25 + 87 Jahre.
Wenn die Lebenszeit nicht an den menschlichen Organismus gebunden ist, stellt sich die Frage, woran sie überhaupt gebunden ist. Die Parabel kippt, wird schief. Der Film präsentiert jedenfalls keinen plausiblen Grund, warum die Zeit als Unterdrückungsmittel eingesetzt wird.
Von der Logik amerikanischer Blockbuster-Filme
Es bleibt also – da es möglich ist, dass die Menschen ewig leben können – die Frage offen, warum es dennoch nicht alle dürfen.
Die Antwort ist simpel: „Es kann nicht jeder unsterblich sein.“ In eigentlich allen amerikanischen Action-Filmen und Blockbustern gibt es Dialogzeilen, die wie kluge, beinahe philosophische Sätze klingen; die aber einer genaueren Betrachtung nicht Stand halten. Im Kontext des Films scheint die Antwort plausibel zu sein, da sie die Grundlage für den Unterschied zwischen arm und reich ist. Tatsächlich kann man viel zu einfach gegenfragen, warum denn nicht?
Je weniger glaubwürdig das grundlegende Gleichnis ist, desto weniger Spaß hat der Zuschauer an diesem Film. Zumindest die Handlung nimmt ein wenig Fahrt auf, indem Salas und sein neues Rich-Girl-Girlfriend Sylvia Weis (Amanda Seyfried) im Stil von Bonnie und Clyde Zeitbanken überfallen und die erbeutete Zeit an die Armen verschenken.
Ungleichheit als zutiefst menschlicher Antrieb
Eine der bösen Figuren sagt dazu: „Das System wird zu seinem alten Zustand zurückkehren.“ Der Zuschauer stimmt der Aussage instinktiv nicht zu, weil sie von einem der Bösewichte ausgesprochen wurde. Aber aus der Makro-Perspektive hat die Figur durchaus Recht. Alle bisherigen menschlichen Gesellschaftsformen haben gezeigt, dass sich eine Gesellschaft nach längerer oder kürzerer Zeit in Schichten ausdifferenziert, egal ob Republik, Monarchie, Demokratie oder Sozialismus. Schichten, die einen besseren Zugang zu materiellen Gütern haben und Schichten, die einen schlechteren Zugang dazu haben. Ungleichheit ist ein zutiefst menschlicher Antrieb. Schade, dass der Zuschauer des Films genau diese Botschaft nicht wahrnehmen soll.
Aus der Mikro-Perspektive betrachtet, sieht es ganz anders aus. Hier zählt jede Minute eines jeden Lebens und die Freude darüber, die damit verbunden sein kann.
Insgesamt ist der Film so lange stark, so lange die Parabel stimmig ist. Danach muss man sich auf die Protagonisten, das Actionkino und die Bonnie und Clyde-Story verlassen, was allerdings eher nicht funktioniert.
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