Seymour, John: Die Lerchen singen so schön, Wilhelm Heyne Verlag, München 1982
Der Mensch wird mürrisch und unglücklich, wenn er von der Natur getrennt ist. Genau dies geschieht in der modernen Zivilisation, bei der man die Natur nur noch als Tourist betrachtet. Wie ein Mantra verkündet der britische Farmer und Autor John Seymour, Vorreiter in Sachen Selbstversorgung, diese Botschaft. „Der Mensch ist ein Kind der Erde. Wir müssen dicht an der Erde und in Harmonie mit ihr leben“, schreibt er, der sonst Ratgeber zur Selbstversorgung aus dem Garten oder auf dem Land geschrieben hat, in seinem einzigen Roman „Die Lerchen singen so schön“.
Schon 1982 erzählt Seymour ein Schreckensszenario als Gedankenexperiment, welches heute aktueller ist als damals. Was wäre, wenn plötzlich das Öl ausbliebe? Es ist insofern eine rhetorische Fragestellung, da sich Seymour der Antwort sehr sicher ist.
Vom Untergang der Öl-Gesellschaft
Binnen sehr kurzer Zeit sind die vorhandenen Lebensmittel aufgebraucht und die industrielle Landwirtschaft bricht ohne Gifte gegen Unkraut und Chemikalien als Dünger, beide werden aus Öl gewonnen, zusammen. Die Ernten sind mickrig. Zusätzlich sterben die in Massentierhaltung gehaltenen Tiere in kürzester Zeit an Seuchen, da die sonst angewendeten Antibiotika nicht mehr verfügbar sind. Die Menschen in den Städten verhungern oder sie ziehen aufs Land auf der Suche nach Nahrungsmitteln. Ohne das Schmiermittel Öl bricht die verstädterte westliche Gesellschaft rasend schnell zusammen.
Um diesem katastrophalen Problem zu begegnen, soll das verfügbare Land der industriellen Landwirtschaft in einzelne Parzellen zerschlagen und an Kleinbauern verteilt werden. Diese könnten das Land bewirtschaften, auch wenn es arbeitsintensiv sei durch das Fehlen von Treibstoffen. Mehrfach stellt Seymour ganz unverhohlen seine persönliche Meinung dar. Dies ist die größte Schwäche des Buchs. Das Buch ist weniger ein Roman und vielmehr ein Plädoyer für eine kleinbäuerliche Mischwirtschaft. Die natürlichen Kreisläufe werden eingehalten und die Tiere geachtet.
Während sich die Kleinbauern also mit der Situation abfinden und zur traditionellen Landwirtschaft zurückkehren wollen, können sich die Städter nicht daran anpassen. Stattdessen organisieren sich diese in einer Armee, die die Bauern unterdrückt und auf eine Rückkehr zur Öl-Gesellschaft hofft. Eine Figur sagt es so: „Ohne Öl sind sie völlig hilflos. Öl gibt ihnen Macht.“ Als sich selbst versorgender Kleinbauer war John Seymour der Öl-Gesellschaft gegenüber kritisch eingestellt.
Persönliche Botschaft ist wichtiger als packende Erzählung
Erzählt wird das Buch von sechs verschiedenen Figuren, jeweils in Form von Erzählberichten, alles vermeintliche Zeitzeugen des Zusammenbruchs. Am häufigsten und lautesten spricht dabei der Farmer und spätere Widerstandskämpfer Bob Hurlock. Er ist unverkennbar das Alter Ego des Autors. Der Ansatz, das Buch aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen, scheitert jedoch, da die Position des Autors überall deutlich erkennbar ist. Zudem ist das Buch literarisch eher einfach gestrickt. Die Erzählung tritt ständig hinter die Botschaft zurück, der Ratgeber Seymour scheint zu deutlich durch.
In verschiedenen Varianten legt Seymour dar, wie wichtig die einfache, bäuerliche Lebensweise ist. Da ist eine Farmerfamilie ihr Gewicht in Gold wert; es wird gesagt, nur die Farmer könnten alle Menschen ernähren; und ein Mensch, der als Bauer für sich selbst arbeitet sei glücklicher. Selbst die gegnerischen Militärs lässt Seymour am Ende seinem Mantra folgen:
„Dann werde ich eine eigene Farm bekommen. Zuerst war es hart, aber sie haben mich mit leichter Hand an den Zügel gewöhnt. Jetzt bin ich topfit und zäh wie eine Eiche. Ich habe das Gefühl, dass ich durch die Arbeit langsam zu wirklicher Normalität zurückfinde – zu einer normalen, gesunden Welt, in der alle arbeiten müssen und alle die Früchte ihres Schaffen genießen können. Ich bin glücklicher als ich es je war.“
Verblendetes utopisches Ende
Sowohl die überschaubare literarische Qualität, als auch die Nähe zur persönlichen Meinung des Autors wurden schon angesprochen, es gibt jedoch noch das Ende und damit einen weiteren Kritikpunkt. Aus der Katastrophe entwickelt sich eine genügsame, ländliche Gesellschaft, für die es keine Notwendigkeit mehr für Kriminalität und Krieg gibt. Es mag für den Augenblick gültig sein, wenn das Alter Ego des Autors, Bob Hurlock feststellt: „In England gibt es jetzt genügend freies Land, um jeder Familie ein großes Grundstück zur Verfügung zu stellen.“ Doch dieses freie Land ist trügerisch, da es nur frei ist, weil viele Millionen Menschen zuvor verhungert und erfroren sind.
Tatsächlich kann die traditionelle Landwirtschaft pro Hektar Land weniger Menschen ernähren als die industrielle, dafür nachhaltig. Sollte also die Zahl der Menschen in guten Zeiten wieder deutlich steigen, sind Kriminalität und auch Krieg in schlechten Zeiten absehbar. Die Erdgeschichte kann dies bezeugen. Der Zeitraum vom 15. bis zum frühen 19. Jahrhundert ähnelt von der Gesellschaftsstruktur jener in Seymours Roman und diese Zeit war voller Auseinandersetzungen und Kriege. Insofern kann das Ende getrost als Utopie bezeichnet werden und es wird einmal mehr offenbar, wie viel Ideologie in dem Buch steckt.
Auch wenn die von Seymour geschilderte Utopie nicht Realität werden wird, ist es dennoch sicher, dass die heutige industrielle Landwirtschaft nachhaltiger werden muss, um eine langfristige Zukunft zu haben. Damals wie heute mag das Buch als Spinnerei gelten, aber beim aktuellen Verbrauch an Öl und der nicht hinterher kommenden Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen, nähert sich die Spinnerei der Wahrheit immer näher an.
Das Buch ist trotz der genannten Mängel lesenswert. Man sollte keinen literarischen Hochgenuss erwarten, denn das ist es sicher nicht. Es ist lesenswert, weil es einen wahren Kern hat, der umso wahrer wird, je gedankenloser der Mensch mit der Ressource Erde umgeht.
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