23. April 2024

Zurück zur Normalität

Streitschrift

Schon im April 2020, als die Presse voll war mit der Frage, wann man zur Normalität zurückkehren könne oder ob man überhaupt je wieder zur Normalität zurückkehren könne, habe ich mich gefragt, welche Normalität damit eigentlich gemeint ist.

Dabei ist die Antwort für die zweite Frage, ob man wieder zu einer Normalität zurückkehren könne, denkbar einfach. Pest, Spanische Grippe, Faschismus und Genozid – die Menschheit hat schlimmeres durchstanden als Covid-19 und immer ist sie mit etwas zeitlichem Abstand zu einer Normalität zurückgekehrt. Diese Frage ist schlicht eine rhetorische Figur, die darauf verweist, als wie problematisch entrückt die aktuelle Situation wahrgenommen wird.

Da ist die erste Frage deutlich realitätsnäher. Die Antwort ist: Natürlich werden wir zu einer Normalität zurückkehren. Aber soll die neue Normalität der alten gleichen?

Zur alten Normalität gehören die folgenden Dinge:

  • Kaum jemand macht sich Gedanken um eine globale Pandemie und um Viren, die eine solche auslösen könnten.
  • Die Autoindustrie sagt nachweislich die Unwahrheit über die Abgaswerte der eigenen Autos, um möglichst viel Profit zu erwirtschaften.
  • Banken nutzen Steuerschlupflöcher, um sich Steuern erstatten zu lassen, die sie nie geleistet haben.
  • Politiker errichten rund um die Welt zunehmend autokratische Staaten und leben vor, wie erfolgreich Populismus zum Nutzen weniger und zum Schaden vieler sein kann.
  • Politiker in Spitzenämtern leben vor, wie man das eine sagt und etwas ganz anderes tut.
  • Die industrielle Viehwirtschaft füttert breitflächig Antibiotika bei, um möglichst viel Profit zu erwirtschaften und das in dem Wissen, dass dadurch multiresistente Keime entstehen, die zu einer globalen Pandemie führen können mit weit schlimmerem Ausmaß als Covid-19.

Da frage ich, nicht ohne eigene Rhetorik, ist das eine Normalität, zu der es sich lohnt zurückzukehren?

Ganz besonders bedrückend ist dabei die Rolle der Politik. Hieß es nicht letzten Herbst noch, es werde keine Impfpflicht geben? Gab es letzten Herbst überhaupt jemanden, der diesen Worten wirklich Glauben geschenkt hat? Schon damals war klar, es wird mindestens eine Impfnötigung eingeführt werden wird über finanzielle und gesellschaftliche Nachteile. Bedrückend ist, dass Politiker die Unwahrheit sagen, man es weiß und doch nichts dagegen tun kann. Ist das eine Normalität zu der man zurückkehren möchte?

Eine Normalität, in der Politiker Handydaten löschen und wichtigste Besprechungen vergessen werden? Eine Normalität, in der schwache Bundesminister bloß darum nicht zurücktreten müssen, weil es noch deutlich schwächere gibt?

Die Normalität war und wird wieder sein: Klimawandel, fliehende Menschen, vielerorts kriegerische Konflikte, rechte und / oder populistische Parteien, Vertrauensverlust in die Politik, unberechenbare Staatsoberhäupter in vielen wichtigen Ländern. Wer kann also tatsächlich von sich behaupten, er wolle zurück zur Normalität?

Tatsächlich sollte die Unterbrechung der Normalität durch das Virus zu einem Aufbruch führen, zu einem Umbruch, zu einer nicht normalen Welt. Zu einer unnormalen Welt, in der verantwortungsbewusste Bürger die Nationen der Erde so führen, dass nicht länger der kurzfristige, finanzielle Profit die Normalität ist.

Gerade jetzt muss es also heißen, nicht zurück zu einer veralteten Normalität, sondern bitte vorwärts, voraus zu einer neuen Unnormalität.

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