16. April 2024

Out of 1987: It‘s Showtime

Filmbesprechung: The Running Man

„The Running Man“ ist neben „Terminator“ und „Total Recall“ ein weiterer Klassiker des dystopischen Sci-Fi-Action-Kinos mit einem schauspielerisch und sprachlich eingeschränkten Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle. Die Handlung des Films spielt dieses Jahr, also 2017. Die Weltwirtschaft ist zusammengebrochen, die natürlichen Ressourcen sind weitgehend erschöpft und der Staat autoritär. Alles ist gleichgeschaltet und gegenläufige Meinungen werden nicht toleriert, die Augen richten sich nach der TV-Show „The Running Man“, deren Moderator ein eitler und aufgeblasener Fatzke ist. Es ist natürlich Zufall, dass manche der Annahmen des Films aus dem Jahr 1987 30 Jahre später auf den Punkt genau zutreffen. Genauso gut hätte ja auch Hillary Clinton die Präsidentschaftswahl in den USA gewinnen können.

Erschreckend viele Parallelen

Tatsächlich hat die Dystopie einige kritische Punkte überraschend genau getroffen. Zwar sind die Ressourcen nicht aufgebraucht, aber ihre Endlichkeit ist deutlicher denn je und die Menschheit ist nach wie vor direkt abhängig von ihnen. Der Staat ist zwar nicht autoritär, aber zumindest in den USA werden aktuell gegenläufige Meinungen von der Regierung ignoriert. Von Russland, der Türkei, China und vielen anderen Ländern nicht zu reden. Auch sind die Menschen nicht gezwungenermaßen von Medienshows abhängig, aber es fällt vielen dennoch nichts besseres ein, als Topmodel, Superstar und ähnliches zu schauen. Es bestehen erschreckend viele Parallelen zwischen dem filmischen Negativszenario und unserer tatsächlichen Lebensrealität. Da ist der eitle Moderator, der jede Kritik weglächelt oder schlicht übergeht, fast schon ein lustiger Zufall.

In dem Film wird der Hubschrauberpilot Benjamin Richards, todernst gespielt von Arnold Schwarzenegger, für ein Blutbad an der eigenen Bevölkerung inhaftiert, das er nicht begangen hat. Aber es gibt belastendes Videomaterial, welches ihn als den „Butcher von Bakersfield“ brandmarkt. Natürlich ist das Videomaterial manipuliert. In der Tat wollte Richards das Blutbad verhindern. Die Sympathien sind also bei Richards und seinen Mithäftlingen, als diese aus dem Gefängnis fliehen. Kurz darauf werden sie wieder gefasst und müssen in der Fernsehshow „The Running Man“ um ihr Leben kämpfen.

Von Ebene zu Ebene: Videospieldramaturgie

Es folgt der Teil der Handlung, für den „The Running Man“ bekannt ist. Schwarzenegger und die anderen Teilnehmer müssen gegen verschiedene gut ausgerüstete und bewaffnete Gegner, sogenannte Bluthunde, antreten, um sich ihre Freiheit zu erkämpfen. Der erste „Bluthund“ ist Professor Subzero mit 30 Eliminierungen. Richards und die beiden anderen Teilnehmer werden auf eine Eisfläche geschickt, wo sie klar im Nachteil sind gegen den Bluthund auf Schlittschuhen. Aber Schwarzenegger nimmt den Kampf auf, zerlegt einen Teil der Dekoration und tötet damit Subzero. Dasselbe macht der österrreichische Kraftsportler mit den Bluthunden Buzzsaw und Dynamo, die als Tag-Team eingesetzt wurden. Buzzsaw wird dabei mit seiner eigenen Kettensäge gespalten und Dynamo erleidet einen Kurzschluss und ist darum hilflos.

„The Running Man“ funktioniert wie ein Videospiel. Die Figuren kämpfen sich durch verschieden gestaltete Ebenen, wobei die Gegner von Level zu Level stärker werden. Jederzeit droht das Game Over (naja, nicht wirklich) oder man dringt bis zum Endgegner vor. Den eingeklemmten Dynamo tötet Richards, der „Butcher von Bakersfield“ nicht. Er weigert sich, einen hilflosen, eingeklemmten Menschen zu töten. Die moralische Hoheit ist sehr eindeutig.

Sehen heißt Glauben

Aber erst als der Gewaltverzicht im Fernsehen sichtbar wird, wird Richards für den Sender gefährlich. Denn das Motto des Senders ist „Sehen ist Glauben“, ein Motto, was heute mit den Sozialen Netzwerken leider viel zu wahr geworden ist und als Fake News debattiert wird. Dem Showmaster mit dem sehr sprechenden Namen Damon Killian (!) ist klar, dass die Zuschauer Show und Gewalt sehen wollen, idealerweise in einer unterhaltenden Kombination.

Darum wollte Killian den Cop, der Amok gelaufen ist für seine Show. Das ist gut für die Quote. Insofern ist es ein großes Problem für den Sender, wenn eine weißhaarige Zuschauerin auf die Frage, wer den nächsten Kill mache, keinen der Bluthunde wählt, sondern Ben Richards. Die Zuschauer können sehen, dass Richards Dynamo nicht getötet hat und da Sehen auch Glauben heißt, lässt Richards die Zuschauer an eine Alternative für ihr eigenes Leben glauben.

Der Regisseur Paul Michael Glaser hat die Show entsprechend überdreht, teilweise parodistisch inszeniert. Killian ist fast eine Karikatur, das anwesende Publikum ebenso. Kein Kinozuschauer soll auf den Gedanken kommen, diese filmische Phantasie könnte teilweise Realität sein. Brot und Spiele funktionieren dann am Besten, wenn man sie nicht als Brot und Spiele wahrnimmt.

Bewaffneter Widerstand gegen eine Welt, die nur noch Show ist

Eine andere Welt wird ganz praktisch greifbar, als Richards und die anderen gezwungenen Teilnehmer auf Untergrundkämpfer treffen, die den Sender hacken und lahmlegen wollen. Da den Medienpiraten ein Band mit den ungeschnittenen Originalaufnahmen vom Massaker von Bakersfield in die Hände gefallen ist, senden sie zuallererst die Wahrheit über das Massaker. Richards ist nun sowohl der Held der Show als auch der Held der Massen.

Der Sender wird zwar von bewaffneten Männern bewacht, aber glücklicherweise lassen sie sich leicht überwältigen. Eine bessere Welt ist nun absehbar. Die Show ist abgesetzt. Der Showmaster wird in die Spielzone geschickt, wo er fatal in eine Werbereklame mit seinem eigenen Gesicht kracht, die daraufhin auch noch explodiert. Auf der symbolischen Ebene macht der Film alles klar.

Eigentlich ist der Film heute so aktuell wie zu seinem Erscheinen 1987. Die Kostüme und Frisuren sind zwar mittlerweile aus der Zeit gefallen, die Spezialeffekte im Vergleich zu den Special Effects von heute mikrig und es ist nicht mehr nachvollziehbar, warum der Film einst 1989 indiziert wurde, aber insgesamt ist „The Running Man“ ein guter Film. Er funktioniert auch heute noch, weil das an Videospiele erinnernde Level-Design zeitgemäß ist, viele thematisierte Aspekte noch immer aktuell oder gar aktueller sind und natürlich weil Arnold Schwarzenegger zu seinen besten Zeiten mitspielt. Beste Zeiten heißt natürlich nicht, dass er schauspielerisch gut wäre, beste Zeit heißt, man sieht einen Athleten, dem man in seiner naiven Art abnimmt, dass er gegen alle Wahrscheinlichkeit für das Gute kämpft.

2014 wurde die Indizierung aufgehoben. Gerade noch rechtzeitig zum 30jährigen Jubiläum.

Den Film „The Running Man“ in der Uncut-Version bei Amazon bestellen.

2 Gedanken zu “Out of 1987: It‘s Showtime

  1. Schöne Weihnachtsempfehlung. Die Storyentwicklung ist löchrig und die One-Liner trashgenau (Here is Subzero! Now plain zero!). Aber allein das Szenario ist unterhaltsam und interessant, wofür es nicht mal einen ganz aktuellen Bezug durch die überzogene Medienmanipulation und Showman-Inszenierung braucht. Denn wie sehr einige der Motive schon länger wieder ansprechen, zeigt schon der große Erfolg als Hintergund dystopischer Ideen in den letzen Jahren in den Hunger-Games-Filmen. Und da lässt sich eine Linie finden von Themen aus Shirley Jacksons The Lottery über das Millionenspiel (bzw. die Vorlage The Prize of Peril) über Running Man bis hin zu Battle Royale (und natürlich einige andere). In vielen davon, besonders auch in Running Man oder den Panem-Filmen gibt es dabei ein interessantes Paradox: Der System- und Medienzynismus darin schafft es gleichzeitig, diesen als (grob) dystopisch auszustellen und den enthaltenen Voyeurismus beim Zuschauer zu bedienen.

    1. Vielen Dank für den aufschlussreichen Kommentar. Die Hunger-Games-Filme sind tatsächlich naheliegend und das Paradox treffend beschrieben. So werden die Lücken meines Beitrags geschlossen. Danke.

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