26. April 2024

Es ward Licht in Mittelerde

„Das Silmarilion“ als Schöpfungsgeschichte von J.R.R. Tolkiens Mittelerde

An das Buch „Das Silmarillion“ vom Herr-der-Ringe-Autor J.R.R. Tolkien hatte ich immer schon gespaltene Erwartungen, gilt es doch als unvollständiges Hintergrundkompendium. Ich habe also Bruchstücke erwartet, die einiges zusätzliches Licht auf das große Abenteuer von Bilbo, Aragorn, Legolas, Gandalf und all den Anderen wirft.

Mitnichten.

Tatsächlich besteht das Buch aus nur 5 Fragmenten, wobei sich jedes Fragment flüssig und zusammenhängend liest. Die erste Erwartung wird also widerlegt. In „Das Silmarillion“ steht wenig über den Hintergrund von „Der Herr der Ringe“, womit auch die zweite Erwartung ins Leere läuft. Das Buch erzählt von Zeiten, die so lange vor dem berühmten Abenteuer liegen, dass es keine direkte Verbindung mehr gibt. Einzig die Geschichte des einen Rings wird etwas beleuchtet, aber diese Erzählung ist kaum länger als der entsprechende Eintrag bei Wikipedia.

Adaption verschiedener Schöpfungsgeschichten und -mythen

Größtenteils stellt das Buch eine Adaption und Modifikation der bekannten christlichen Schöpfungsgeschichte dar, aber auch andere Erzählungen und Mythen wurden verarbeitet. Dies entspricht der Arbeitsweise des Wissenschaftlers Tolkien, dessen Inspiration sich auch für „Der Herr der Ringe“ aus seiner Sprachforschung speiste.

Erzählt wird von der Erschaffung der Welt, den ersten Göttern und der Erschaffung der Elben, die als erstgeborene Rasse den Götten noch sehr nahe waren. Zu Beginn lebten sie Seite an Seite, doch es kommt zu einem fortdauernden Niedergang und so entfernten sich die Elben Generation um Generation von den Göttern, man könnte sagen, das göttliche Licht in ihnen verlor an Kraft. Schon hier sind Parallelen erkennbar, die mit dem Stichwort „Entfremdung“ treffend beschrieben sind.

Hierbei spielt auch einer der ersten und mächtigsten Götter eine wichtige Rolle, denn er hat sich von den anderen Göttern losgesagt und verdirbt alles und jeden, um zu mehr Macht zu gelangen.
Die Allegorie auf den Teufel der Christen ist nicht zu übersehen.

Zwerge und Menschen sind im Silmarillion nachgeborene Rassen, die an geistiger und körperlicher Ausstattung deutlich hinter den unsterblichen Elben zurückstehen. Die Zwerge streben nach Gold und Juwelen und die Menschen lassen sich durch Macht korrumpieren, was vor allem dem abtrünnigen Gott Tür und Tor öffnet. In beiden Rassen ist nicht mehr viel Raum für Göttliches.

Niedergang mit deutlich erkennbaren Parallelen zum modernen Menschen

Dies darf ruhig als eine weitere Parallele auf den modernen Menschen gesehen werden, dessen Lebensstil keinen Raum lässt für spirituelle Einkehr. Je länger die Zeit der Weltschöpfung zurück liegt, desto weiter haben sich die Geschöpfe vom Göttlichen entfernt und desto kreatürlicher, man könnte sagen tierischer sind sie geworden. Goethe hat diesen Widerspruch alles Menschlichen sehr trefflich als zwei Seelen beschrieben, die in einer Brust schlagen.

Insgesamt ist „Das Silmarillion“ ein interessantes Buch für Menschen, die sich für Kultur- und vergleichende Religionswissenschaftler interessieren und für Menschen, die mehr über die Welt von Herr der Ringe wissen wollen. Allen anderen sei empfohlen, zuerst „Der Herr der Ringe“ zu lesen, dann „Der kleine Hobbit“ und anschließend, falls man infiziert ist, auch „Das Silmarillion“.

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