29. März 2024

Nichts als Gespenster

Khan, Sarah: Die Gespenster von Berlin. Unheimliche Geschichten, suhrkamp nova, Frankfurt am Main 2009, 190 Seiten

Berlin ist en vogue. Seit dem Mauerfall. Erst recht innerhalb der letzten zehn Jahre. Angeblich warten alle auf die literarische Beschreibung des Berlin-Gefühls. Vielleicht hat Sarah Khan mit ihren unheimlichen Geschichten „Die Gespenster von Berlin“ einen Versuch gewagt.

Der Kurzgeschichten-Roman ist im zeitgenössischen Berlin situiert. Darin sucht eine schamlose Geisterjägerin als Ich-Erzählerin Orte und Menschen auf, die mit Geistern Erfahrung haben. Seien es das Künstlerhaus Bethanien in Kreuzberg, ein Haus in der Invalidenstraße oder ein Ort etwa 50 Kilometer vor Berlin. Das Buch spielt mit dokumentarisch zu nennenden Realitätsversatzstücken. Eingestreut werden neben konkreten Orts- und Personennamen, oft von international bekannten Künstlern, andere faktisch nachvollziehbare Begebenheiten. Außerdem fallen die Autorin des Buchs und ihre Ich-Erzählerin auf grotesk deutliche Weise in eins.

Meist passiert bei der Suche nach den Gespenstern: nichts. Keine Gespenster, nur Spuren davon. Wenn Gespenster dann doch vorgeblich auftreten, handelt es sich meist um Hörensagen und die Gespenster verhalten sich auf recht altbackene Weise: „Ein kalter Hauch wanderte regelmäßig durch die Zimmer und gab den beiden das Gefühl, beobachtet zu werden. Der kalte Hauch hatte nichts mit dem Lüften, den Türen oder Fenstern zu tun. Man spürte ihn auch in geschlossenen Räumen, wo er den Wäscheständer zum Wackeln brachte.“

Der Leser wird dabei verwirrt durch die schamlose Selbstverständlichkeit, mit der die Protagonistin ihrer irrationalen Suche nachgeht. Dieser Eindruck wird genährt durch Passagen von großer alltäglicher Banalität. Wenn die Ich-Erzählerin nicht weiter kommt, flucht sie oder sucht Wikipedia auf. Ganz normal, will die Autorin glauben machen.

Sofern es sich bei den Gespenstern in Berlin – es wird im Buch spärlich angedeutet – um Nach- und Neudichtung Berliner und Deutscher Geschichte handelt, die Gespenster also Schatten des Vergangenen auf die Gegenwart werfen, bleibt die Verbindung der in der Vergangenheit liegenden Geschehnisse und ihre Relevanz für die Gegenwart zu dünn.

Schließlich wird die Lektüre durch das Gefühl angefeuert, dass es sich bei dem Buch um ein durchtriebenes Stück berechnend komponierter Literatur handelt. Allerdings löst sich dieses Gefühl nicht ein. Vielmehr zeugt das Buch von einem deutlichen Erzählwillen, der allerdings nicht durch eine passende Erzählrichtung ergänzt wird. Welches Projekt bzw. welche Schreibintention tatsächlich mit dem Buch angestrebt wurde – sie hätte deutlicher ausfallen müssen. So wirkt es, als erzähle die Autorin aus dem Nichts, aus der reinen Lust am Erzählen. Aber letztlich sind Gespenster das auch: nichts.

Khan, Sarah: Die Gespenster von Berlin bei Amazon bestellen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.