19. April 2024

Wie sie sehen, sehen sie nichts – Spreepark Berlin

Wie sie sehen, sehen sie nichts – Spreepark Berlin

Viele sind gekommen: junge Familien, Hipster, Kunstliebhaber. Auch Atzen, Alte und Abgehängte – alle haben Zeit gefunden für ihren Spreepark. Dass dem Spreepark in Berlin Treptow neues Leben eingehaucht gehört, ist wohl klar. Bloß, auf welche Weise dies geschehen soll, ob mit oder ohne Parkplätze; ob mit oder ohne Kunst; ob rein mit Fahrgeschäften und Zuckerwatte oder überwiegend mit Grün- und Freiflächen – das ist umstritten.

Am Wochenende vom 14. und 15. September wurde der Park einmal mehr präsentiert, ohne Parkplätze, mit wenig Park, aber einigen Freiflächen und jeder Menge Kunst und Kultur. Also eher im Sinne des Kulturspreepark, einem gemeinnützigen Verein aus Künstlern und anderen Andersdenkenden.

Vom Park selber, seinem Flair, hat der Besucher am Sonntag wenig mitbekommen. Einerseits war er nur etwa zur Hälfte begehbar, die andere Hälfte war abgesperrt und bewacht. Andererseits war der Besucherstrom so groß, dass man darin mitgerissen wurde wie ein ungeübter Schwimmer bei Hochwasser. Letztlich gab es hauptsächlich andere Menschen zu sehen, wie man sie auch an vielen anderen Orten sehen kann. Für den Park musste zum Tag der offenen Tür leider gelten: Wie sie sehen, sehen sie nichts.

Gedicht „Spreepark Berlin, 2019“

Ich habe an der „Gedichte-Manufaktur“ von Lyrigma teilgenommen. Dabei ist das Gedicht „Spreepark Berlin, 2019“ entstanden. Die Gedichte-Manufaktur funktioniert so, dass man Textschnipsel aus klassischen und modernen Gedichten zieht und diese um eigene Zeilen ergänzt. Es handelt sich um eine spielerische Herangehensweise, die zu gedanklichem Tiefgang führen kann.

Spreepark Berlin, 2019

Mit Schlummerduft hauchen die Pflanzen (nach „Hyazinthen“ von Theodor Storm)
sich zunehmend Leben ein
Mit Schlummerduft hauchen die Fahrgeschäfte,
die ehemaligen
und die Attraktionen
die gewesenen
zunehmend ihr Leben aus und ausser

Niemand, der den Schlummer wach
küsst
einer nur
nach nicht 100jährigem
so dringend
ohne Not
benötigt

Weil unsere Augen sie nicht sehn („Abendlied“ von M. Claudius)
die möglichen Möglichkeiten
nicht ahnend
den zauberhaften Neuanfang (nach „Stufen“ von Hermann Hesse)
die Köpfe oder Mägen
die Herzen oder Tatkräfte
umschlummert von Realitätssinn
aufhörn zu sein (nach „Der Panther“ von Rainer Maria Rilke)

2019

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